Trotz Beziehung verliebt?

Fitnesstraining
Vergeben, aber trotzdem verguckt? Foto: iStock
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Ich liebe meinen Freund. Eigentlich. Und eigentlich auch uneigentlich.

Mein Freund ist voll mein Typ. Er hat dunkle Haare, einen Dreitagebart, ist größer als ich und macht Sport. Er ist außerdem ziemlich klug. Er interessiert sich für alle möglichen Dinge und gibt mir Ratschläge in allen Lebenslagen. Er mag Tiere und er löffelt mich beim Einschlafen. Nur das mit dem Wäscheaufhängen ist nicht so sein Ding. Aber darüber kann ich hinwegsehen. Was will ich also mehr? Keine Ahnung. Ehrlich.

Aber letztens ist mir wieder etwas passiert, das mich sehr irritiert hat.

Ich mache viel Sport und verbringe meine Freizeit gerne im Fitnessstudio. Man kennt mich dort. Jeder grüßt mich. Ich war gerade bei der elften Wiederholung einer Schulterübung, als mich ein lautes und kräftiges „Moin“ aus dem Konzept brachte. Vor lauter Schreck ließ ich die Hantel zu Boden fallen. „Ich wollte dich nicht erschrecken, aber du machst das falsch“, sagte er. Ich drehte mich um und stand einem ziemlich breiten Kerl gegenüber. Fitnesstrainer. Blond. Ungefähr einsneunzig groß. Eigentlich überhaupt nicht mein Typ, stellte ich nach einem kurzen Scan fest. Er zeigte mir dann, wie die Übung richtig geht, und blieb noch ein paar Minuten bei mir stehen, um zu überprüfen, ob ich seine Anweisungen auch richtig umsetze. Dann ging er.

Tage vergingen, den Fitnesstypen hatte ich voll vergessen. Bis zum nächsten Training.

Gefühle für zwei Typen, geht das?

Da grüßte er mich total nett. Wir kamen ins Gespräch. Mein Typ war er immer noch nicht. Noch weniger als vorher. Ehrlich gesagt fand ich ihn ziemlich doof, weil er sich selbst so geil fand. Ohne dass ich es wissen wollte, erzählte er mir nämlich, wie viele Frauen er schon hatte und warum er überhaupt so ein toller Typ ist. Ich hörte kurz zu, der Rest ging zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus. Er hat mich nicht einmal irgendwas zu mir gefragt. Nur bla bla. Was war ich froh über meinen Freund. Der mir zuhört und mich jedes Mal fragt, wie mein Tag war. Also verabschiedete ich mich höflich vom Einsneunzig-Blondie und widmete mich wieder meinem Training.

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Ich weiß nicht warum, aber irgendwie bekam ich den Fitnesstypen dann nicht mehr aus dem Kopf. Obwohl ich ihn so doof fand.

Ich glaube, ich fand die ganze Sache irgendwie aufregend und wollte ihm um jeden Preis gefallen. Anders kann ich mir das bis heute nicht erklären. Vielleicht war es auch einfach die Tatsache, dass er mein Fitnesstrainer ist. Eben das typische Lehrer-Schüler-Schwärmerei-Ding.

Auf jeden Fall tauschten wir ein paar Tage später Handynummern aus. Auch bei WhatsApp fand ich den Trainertypen anstrengend. Er schrieb immer nur das Nötigste, schien überhaupt nicht interessiert. Wenn wir uns im Fitnessstudio getroffen haben, war es aber immer irgendwie anders. Zumindest, wenn er nix zu tun hatte. Da hat er immer gerne gequatscht. Ich war komplett verwirrt. War er jetzt interessiert oder nicht?

Ich weiß nicht mehr genau, wie es dazukam, aber irgendwann verabredeten wir uns für Freitagabend zum Sushi essen. Er hatte voll Lust drauf. Schrieb er zumindest bei WhatsApp. Zwei Tage vorher sagte er aus fadenscheinigen Gründen ab. Rückenverletzung. Aha. Wer es glaubt...

Gefühlschaos: Ich weiß nicht was ich denken soll!

Samstagmorgen bekam ich einen neuen Trainingsplan von ihm. Er trainierte anderthalb Stunden mit mir statt der üblichen halben Stunde. Die Atmosphäre zwischen uns war locker und angespannt zugleich. Wie sollte ich denn das jetzt schon wieder verstehen? Noch während des Trainings entschied ich mich, mich zurückzuziehen, um mich bloß nicht noch weiter verwirren zu lassen. Da hatte ich die Rechnung aber ohne ihn gemacht. Ein paar Minuten, nachdem ich in kurzem Kleidchen das Fitnessstudio verlassen hatte, erreichte mich eine WhatsApp Nachricht von ihm, in der er mich für das Training lobte. Wir schrieben ein paar Mal hin und her. Irgendwann wollte ich dann besonders schlau sein und antwortete nicht mehr. Wie das eben immer so läuft.

Übrigens lief mit meinem Freund währenddessen alles ganz normal weiter. Denn sobald ich zu Hause war, hatte ich den Fitnesstypen vergessen und meinen Freund wieder voll auf dem Schirm.

In der Woche drauf sahen Fitnessblondie und ich uns wieder beim Training. Wir unterhielten uns, verabredeten uns abends wieder per What’s App. Einfach zum quatschen. Es schien wieder so, als würde er sich drauf freuen. Ich hingegen verplante diesen Abend doppelt, weil ich mir sicher war, dass er doch noch absagte.

Tat er nicht. Wir trafen uns. Es war schon spät, er kam gerade von der Arbeit und hatte Hunger. Ich hatte zwar schon gegessen, aber begleitete ihn trotzdem in den nächsten Dönerladen. Abgesehen davon, dass er mich zwang, mir mit ihm eine Dönerpfanne (Dönerfleisch mit Brotstückchen und Käse überbacken) zu teilen, erzählte er mir merkwürdige Geschichten. Ich fragte ihn, wo er aufgewachsen ist und was er macht, wenn er nicht gerade Fitnessamateure im Studio betreut. Er erzählte mir nichts von sich, sondern eine skurrile, aber, und das muss ich ihm lassen, unglaublich witzige Geschichte zu Norbert dem Igel. Wer Norbert der Igel ist? Keine Ahnung. Das habe ich bis heute nicht herausgefunden. Genauso wenig, wie ich über den Typen herausgefunden habe. Ich weiß bis heute herzlich wenig über ihn.

Nachdem wir die Dönnerpfanne verschlungen hatten - ich hatte dann irgendwie nämlich doch noch Hunger - brachte er mich zurück zu meinem Fahrrad. Er erzählte mir auf dem Weg wieder viel vom Pferd. Ab und zu legte er den Arm um meine Schulter. Der Arm wog gefühlte 100 Kilo. Das viel größere Problem war aber, dass mich die ganze Situation schon wieder verwirrte. Am Fahrrad angekommen verabschiedete ich mich mit einer Umarmung von ihm.

Vergeben aber trotzdem verliebt?

Am Wochenende danach fragte ich bei WhatsApp, ob er Lust hätte, in der kommenden Woche etwas zu unternehmen. „Ich bin diese Woche ziemlich voll, müssen wir gucken“, war seine Antwort. Alles klar. Doch kein Interesse.

Aber wieso interessierte es mich überhaupt, ob er Interesse hatte? Ich hatte ja meinen Freund. Meinen tollen dunkelhaarigen Typen mit Dreitagebart. Ich weiß es bis heute nicht. Aber die ganze Sache hat mir wieder einmal mehr gezeigt: Zwar haben andere Mütter auch schöne Söhne, aber keine, die so klug, lieb und gleichzeitig so nervig wie mein Freund sind.